VSME mit oder ohne Wesentlichkeitsanalyse?

VSME mit oder ohne Wesentlichkeitsanalyse?

VSME mit oder ohne Wesentlichkeitsanalyse? 640 427 Nora Emig

Die EFRAG hat im Januar 2024 den freiwillig anwendbaren Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von nicht börsennotierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) vorgestellt: den Voluntary ESRS for SMEs (VSME ESRS). Seit dem 26. Februar ist der VSME nun durch das Omnibus-Verfahren auch für größere Unternehmen interessant. Während der ursprüngliche Entwurf des VSMEs eine Wesentlichkeitsanalyse als Grundvoraussetzung für die Berichterstattung vorsah, wurde sie in der finalen Version der VSME-Standards ersatzlos gestrichen. Das hat sowohl Vorteile als auch Nachteile für Unternehmen.

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Was ist die Wesentlichkeitsanalyse? 

Die Wesentlichkeitsanalyse ist ein zentraler Bestandteil der CSRD sowie Nachhaltigkeitsberichterstattung und hilft Unternehmen, die für sie relevanten ESG-Kriterien systematisch zu identifizieren. Dadurch wird sichergestellt, dass Unternehmen nicht oberflächlich über Nachhaltigkeitsthemen berichten, sondern sich auf die Aspekte konzentrieren, die für ihr Geschäft und ihre Stakeholder wirklich entscheidend sind. Sie folgt dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit und berücksichtigt:

  1. Finanzielle Wesentlichkeit: Wie beeinflussen Nachhaltigkeitsaspekte die finanzielle Situation des Unternehmens?
  2. Impact Wesentlichkeit: Welche Auswirkungen hat das Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft?

Die Kombination dieser beiden Perspektiven sorgt dafür, dass Unternehmen nicht nur aus interner Sicht bewerten, welche Themen für sie relevant sind, sondern auch externe Auswirkungen mit einbeziehen. Die umfassende Analyse trägt dazu bei, die Nachhaltigkeitsstrategie gezielt auszurichten, Risiken zu minimieren und Chancen besser zu nutzen. Gleichzeitig erhöht sie die Transparenz für Investoren, Geschäftspartner und weitere Stakeholder, da nachvollziehbar wird, warum bestimmte Nachhaltigkeitsthemen als wesentlich eingestuft werden.

Warum ist die Wesentlichkeitsanalyse wichtig? 

Die Wesentlichkeitsanalyse ist die Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ohne sie fehlt eine klare Orientierung, welche Nachhaltigkeitsaspekte für das Unternehmen von Bedeutung sind. Das führt dazu, dass Berichte entweder zu oberflächlich oder zu umfangreich und unstrukturiert werden.

Gründe für die Wesentlichkeitsanalyse

  • Relevante Themen effizient identifizieren: Ohne eine systematische Analyse besteht die Gefahr, dass Unternehmen entweder irrelevante oder zu viele ESG-Aspekte in ihren Nachhaltigkeitsbericht aufnehmen. Das kann nicht nur Ressourcen verschwenden, sondern auch den Bericht unübersichtlich machen. Die Wesentlichkeitsanalyse hilft, sich auf die Themen zu konzentrieren, die für das Unternehmen wirklich entscheidend sind – sei es durch regulatorische Anforderungen, Erwartungen von Stakeholdern oder direkte Auswirkungen auf das Geschäftsmodell. So können Unternehmen gezielt ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen planen und dokumentieren.
  • Eine fundierte Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln: Die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse sind nicht nur für die Berichterstattung wichtig, sondern auch für die langfristige Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens. Sie zeigt auf, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht und welche Nachhaltigkeitsmaßnahmen die größten Auswirkungen haben. Unternehmen können so gezielte Ziele und Maßnahmen definieren, die nicht nur gesetzlichen Vorgaben entsprechen, sondern auch Wettbewerbsvorteile schaffen. Beispielsweise kann eine Wesentlichkeitsanalyse offenlegen, dass Energieeffizienz und Emissionsreduktion für das Unternehmen besonders relevant sind – was wiederum Investitionsentscheidungen beeinflussen kann.
  • Transparenz gegenüber Stakeholdern gewährleisten: Investoren, Kunden, Lieferanten und andere Stakeholder erwarten zunehmend eine klare und nachvollziehbare Nachhaltigkeitsberichterstattung. Eine Wesentlichkeitsanalyse stellt sicher, dass die berichteten ESG-Themen objektiv begründet und nicht willkürlich ausgewählt sind. Sie ermöglicht Unternehmen, offen darzulegen, warum bestimmte Themen als wesentlich eingestuft wurden und wie sie damit umgehen. Dadurch steigt die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung, was sich positiv auf das Unternehmensimage auswirkt und das Vertrauen von Investoren und Geschäftspartnern stärkt.

Die neue VSME-Struktur – ohne Wesentlichkeitsanalyse 

Der finale VSME-Standard umfasst zwei Module:

  1. Basis-Modul: Enthält allgemeine ESG-Themen ohne eine vorab durchgeführte Wesentlichkeitsanalyse.
  2. Umfassendes Modul: Enthält weiterführende ESG-Kriterien für Investoren oder B2B-Kunden.

Dieser Ansatz sorgt für Kritik, da er die Vergleichbarkeit der Berichte erschwert. Unternehmen können nun selbst entscheiden, welche Themen sie aufnehmen, ohne eine strukturierte Analyse durchzuführen.

VSME Aufbau

Warum sich eine Wesentlichkeitsanalyse im VSME trotzdem lohnt 

Obwohl die doppelte Wesentlichkeitsanalyse im finalen VSME-Standard nicht mehr verpflichtend ist, empfehlen zahlreiche Verbände, Beratungen und Experten weiterhin ihre Durchführung. Sie schafft eine solide Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und unterstützt Unternehmen dabei, ihre Strategie gezielt auszurichten und langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern. Eine Wesentlichkeitsanalyse bringt dabei folgende zentrale Vorteile mit sich:

VSME Wesentlichkeitsanalyse Tabelle

Langfristige strategische Ausrichtung

Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, ihre Nachhaltigkeitsstrategie nicht nur regulatorisch, sondern auch geschäftlich sinnvoll zu gestalten. Eine Wesentlichkeitsanalyse hilft dabei, relevante ESG-Themen zu priorisieren und sowohl Risiken als auch Chancen frühzeitig zu erkennen. Beispielsweise können steigende CO₂-Preise oder sich ändernde Kundenanforderungen eine erhebliche finanzielle Auswirkung haben. Durch die Analyse erhalten Unternehmen eine klare Entscheidungsgrundlage, um Nachhaltigkeitsmaßnahmen effektiv in ihre Geschäftsstrategie zu integrieren.

Verbesserte Vergleichbarkeit

Ohne eine Wesentlichkeitsanalyse kann es zu einer großen Vielfalt an Berichtsmethoden kommen, was die Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen erschwert. Investoren, Kunden und Banken legen jedoch zunehmend Wert auf einheitliche und standardisierte ESG-Kennzahlen. Eine strukturierte Wesentlichkeitsanalyse ermöglicht es, Nachhaltigkeitsleistungen messbar und vergleichbar zu machen, wodurch sich Unternehmen im Wettbewerb besser positionieren können. Besonders in B2B-Lieferketten ist dies entscheidend, da größere Unternehmen von ihren Zulieferern zunehmend ESG-Daten verlangen.

Effiziente und glaubwürdige Kommunikation

Nachhaltigkeitsberichte sind nicht nur eine regulatorische Notwendigkeit, sondern auch ein wichtiges Kommunikationsinstrument für Stakeholder. Eine Wesentlichkeitsanalyse sorgt dafür, dass die berichteten Inhalte nachvollziehbar und konsistent sind. Unternehmen können klar darlegen, welche Nachhaltigkeitsaspekte für sie am wichtigsten sind und welche Maßnahmen sie ergreifen, um ökologische und soziale Verantwortung zu übernehmen. Dies stärkt das Vertrauen von Investoren, Geschäftspartnern und Kunden und kann sich positiv auf die Unternehmensreputation auswirken.

Flexibilität und Zukunftssicherheit

Auch wenn der VSME-Standard aktuell freiwillig ist, könnte sich dies in Zukunft ändern. Die EU verschärft kontinuierlich ihre Nachhaltigkeitsvorgaben, und auch Finanzinstitute sowie große Geschäftspartner fordern zunehmend ESG-Informationen von KMU. Unternehmen, die frühzeitig eine Wesentlichkeitsanalyse durchführen, sind besser auf kommende Entwicklungen vorbereitet und können sich flexibel an neue Anforderungen anpassen.

Effizienter Ressourceneinsatz

Unternehmen, die eine Wesentlichkeitsanalyse durchführen, sparen langfristig Ressourcen, da sie sich auf die wirklich relevanten Nachhaltigkeitsthemen konzentrieren können. Dies reduziert den internen Aufwand für Datenerhebung und Berichterstellung, da von Anfang an klar ist, welche Kernindikatoren erfasst und berichtet werden sollten.

Fazit 

Die Entscheidung, die Wesentlichkeitsanalyse aus den VSME-Standards zu streichen, wurde vielfach als politischer Kompromiss kritisiert. Während dies die Berichterstattung für Unternehmen erleichtert, leidet die Vergleichbarkeit der Berichte. Unternehmen, die eine zukunftsorientierte und strategisch durchdachte Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln wollen, sollten dennoch auf eine Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD setzen. So sichern sie sich langfristig Wettbewerbsvorteile und schaffen Vertrauen bei Stakeholdern.

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FAQs 

Was ist eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse?

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse hilft Unternehmen, relevante Nachhaltigkeitsthemen systematisch zu identifizieren. Sie betrachtet zwei Dimensionen: die finanzielle Wesentlichkeit (wie Nachhaltigkeitsaspekte das Unternehmen finanziell beeinflussen) und die Impact-Wesentlichkeit (welche Auswirkungen das Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft hat). Sie ist eine zentrale Grundlage für eine strategische und transparente Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Ist sie im aktuellen VSME-Standard verpflichtend?

Nein, in der finalen Version des VSME-Standards wurde die Pflicht zur Wesentlichkeitsanalyse gestrichen. Unternehmen können nun selbst entscheiden, welche ESG-Themen sie berichten, ohne eine strukturierte Analyse durchführen zu müssen.

Warum sollte sie trotzdem gemacht werden?

Auch ohne Verpflichtung bleibt sie sinnvoll, da sie Unternehmen hilft, relevante Nachhaltigkeitsthemen zu priorisieren, Vergleichbarkeit zu gewährleisten und die Erwartungen von Investoren und Geschäftspartnern zu erfüllen. Sie schafft Transparenz und eine fundierte Basis für strategische Entscheidungen.

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Über den Autoren

Nora Emig

Nora Emig ist Marketing-Expertin bei Klimahelden und spezialisiert auf ESG-Themen. Sie entwickelt Informationsmaterial, das Unternehmen umfassend auf die Anforderungen der CSRD-Berichterstattung vorbereitet.

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